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Innovationskiller Vergaberecht?

25. Juni 2020

Mit dem richtigen Vergabe-Design zur innovativen Leistung

Leistungsinhalte öffentlicher Aufträge werden immer umfangreicher, insbesondere die IT-Branche ist schnelllebig, innovativ und komplex. Das Vergaberecht wird dem nicht gerecht und ist der Innovationskiller bei der Beschaffung von neuartigen Liefer- und Dienstleistungen. So oder so ähnlich lautet die gängige Meinung.
 
Richtig ist, dass besonders in der IT-Branche Leistungsinhalte immer komplexer werden und der Innovationsgrad stetig steigt. Öffentlichen Auftraggebern hingegen fällt es schwer
Innovationen in einer möglichst erschöpfenden Leistungsbeschreibung unterzubringen. Ob dies überhaupt möglich ist, sei einmal dahingestellt. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Fachbereiche der Auftraggeber gern mit den Unternehmen sprechen würden, um über geeignete Lösungen zu diskutieren. Ein weit verbreiteter Mythos ist jedoch, dass das Vergaberecht dies verbietet und deshalb wird es oft als Innovationskiller wahrgenommen. Doch stimmt das wirklich?
 
Im Rahmen einer
Markterkundung ist es für öffentliche Auftraggeber immer möglich mit Unternehmen zu sprechen, wobei den Firmen deutlich mitgeteilt werden muss, dass es sich lediglich um eine Marktsichtung handelt, die der Vorbereitung eines Vergabeverfahrens dient. Für die Unternehmen bedeutet dies zunächst Aufwand ohne Vergütung und das entfesselt natürlich nicht die Bereitschaft sich eingehend mit Themen zu befassen und es trägt auch nicht dazu bei, dass die Unternehmen freiwillig Alternativen aufzeigen, die dem Bedarf des Auftraggebers eher gerecht werden. Allzu oft werden externe Berater beauftragt, die die Fachbereiche bei der Erstellung der Leistungsbeschreibungen für innovative Liefer- und Dienstleistungen unterstützen sollen. Externe Berater sind jedoch relativ teuer und deren Dienstleistung muss zudem unter Umständen erst einmal ausgeschrieben werden. Also alles sein lassen und weiter auf das Vergaberecht schimpfen? Es gibt noch eine weitere Option und die heißt wettbewerblicher Dialog.

Problemlösung Innovationspartnerschaft

Der wettbewerbliche Dialog ist eine sehr interessante Verfahrensart und unterscheidet sich von den anderen klassischen Verfahrensarten. Normalerweise startet der öffentliche Auftraggeber mit einer Vergabe im offenen Verfahren oder im nicht offenen Verfahren bekanntlich erst, nachdem er seine Leistungsanforderungen möglichst erschöpfend beschrieben hat. Der Auftraggeber sollte also ganz genau wissen, welche Leistung er benötigt. Ist diese nicht vollumfänglich definierbar, wird oft das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb genutzt. Hierbei kann die Leistung im Rahmen der Verhandlungen teilweise angepasst werden. Echte Innovationen, kann man so natürlich nicht besprechen.
 
Bei der Vergabe im wettbewerblichen Dialog beschreibt der Auftraggeber hingegen nur seine Bedürfnisse und Anforderungen an eine Leistung, ebenso die Eignungs- und Zuschlagskriterien und einen vorläufigen Zeitrahmen. Nach dem Teilnahmewettbewerb, bespricht der Auftraggeber in einer oder mehreren Dialogphasen mit geeigneten Unternehmen wie seine Anforderungen am besten erfüllt werden können. Dabei darf er, anders als im Verhandlungsverfahren, alle Aspekte des Auftrages besprechen. Die Bieter, also die Unternehmen die auf ihrem jeweiligen Spezialgebiet großes Know-how besitzen, können Lösungskonzepte während des Vergabeverfahrens vorstellen. So lassen sich sowohl Kosten als auch Zeit sparen.
 
Im Vergleich zu anderen Verfahrensarten wird der wettbewerbliche Dialog eher selten genutzt. Das hat sicher nicht nur damit zu tun, dass öffentliche Auftraggeber eine Begründung für die Nutzung dieser Verfahrensart benötigen. Denn wer ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb begründen kann, darf auch einen wettbewerblichen Dialog nutzen. Woran liegt es also dann, dass ein wettbewerblicher Dialog vergleichsweise wenig verbreitet ist? Dies hängt einerseits mit der Komplexität und der beschriebenen Eigenart dieses Verfahrens zusammen, aber eben auch aus Unwissenheit darüber, dass es so eine Verfahrensart überhaupt gibt.
 
Was bedeutet das für die Praxis? Künftig immer einen wettbewerblichen Dialog anstreben?


Sicher nicht, denn wenn ein öffentlicher Auftraggeber genau weiß was er benötigt, sind die klassischen Verfahrensarten die effektivste Wahl. Ist die Leistung darüber hinaus nur nicht erschöpfend beschreibbar, sollte auch weiterhin ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb genutzt werden. Der wettbewerbliche Dialog ist aber gerade bei komplexen Leistungsgegenständen eine echte Alternative. Wenn öffentliche Auftraggeber nur das Ziel definieren können oder wollen, der Markt aber unzählige Lösungsmöglichkeiten bietet, dann sollten sie die Chancen nutzen, die der wettbewerbliche Dialog bietet.
 
Übrigens die „Königin der Innovation“ im Vergabebereich ist die
Innovationspartnerschaft. Mit dieser Verfahrensart lassen sich auch Leistungen beschaffen, die erst noch entwickelt werden müssen. Man sieht also Innovation und Vergaberecht sind keine Widersprüche, zumindest nicht, wenn man die richtigen Werkzeuge kennt und anwendet.

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