Eine Markterkundung darf zunächst erst einmal nicht mit einer Vergabe bzw. Ausschreibung verwechselt werden, denn diese beiden Instrumente verfolgen sehr unterschiedliche Ziele. Während öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren durchführen um öffentliche Aufträge zu vergeben, also um konkrete Bedarfe zu decken indem sie entsprechende Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen beschaffen, dient eine Markterkundung hingegen nur der Vorbereitung eines solchen Vergabeverfahrens. Sie ist deshalb strikt von einer echten Vergabe abzugrenzen (§ 28 Abs. 2 VgV). Warum sollten dann überhaupt Markterkundungen durchgeführt werden?
Nun, welche Leistung ein Auftraggeber beschaffen möchte, darf er selbst bestimmen (mit der Einschränkung bezüglich Produktvorgaben). Hierbei spricht man vom Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers. Damit er Leistungen bei Bedarf schnell ausschreiben kann bzw. überhaupt von technischen Neuerungen erfährt, benötigt er einen Marktüberblick und führt dazu regelmäßige Markterkundungen durch. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Marktbeobachtung. Dies kann beispielsweise eine einfache Internetrecherche sein. Es gibt aber auch eine Anlass- bzw. beschaffungsbezogene Markterkundung die der Vorbereitung eines konkreten Bedarfes dient. Hierbei werden Unternehmen direkt angesprochen um Informationen einzuholen.
Eine regelmäßige Markterkundung oder auch Marktbeobachtung ist eine fortlaufende Aufgabe, welche öffentliche Auftraggeber aber auch private Unternehmen ständig durchführen sollten. Hier gibt es also keinen Unterschied zu öffentlichen Auftraggebern, auch was mögliche Gefahren angeht. Diese Art der Markterkundung verfolgt das Ziel Marktentwicklungen zu erkennen und daraus die eigene Beschaffungsstrategie abzuleiten. Dabei gilt es eher allgemeine Fragen zu klären wie:
Wann sollte ein Produkt beschafft werden? Eine wichtige Frage bei saisonal schwankenden Preisen.
Ist eine Technologie bereits marktreif? Diese Frage stellt sich besonders in der schnelllebigen IT-Branche oder auch bei der Elektrifizierung des Verkehrssektors. Elektrobusse oder doch lieber Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle?
Bei der regelmäßigen Markterkundung werden aus frei zugänglichen Quellen Informationen gesammelt und entsprechende Rückschlüsse gezogen. Internetrecherche, Fachzeitschriften, aber auch Messebesuche dienen der regelmäßigen Markterkundung. Wichtig ist jedoch darauf zu achten, dass Informationen nicht einseitig gesammelt werden und dadurch ein verzerrtes Marktbild entsteht. Es muss auch darauf geachtet werden, dass keine falsche Loyalität zu einzelnen Unternehmen entsteht aus der einseitige und ungünstige Beschaffungsentscheidungen und im schlimmsten Fall Korruption entstehen kann. Deshalb sollten Sie möglichst den gesamten Markt beobachten und zum Beispiel auf Messen, viele verschiedene Anbieter ansprechen.
Bei komplexen und umfangreichen Leistungsgegenständen kann eine Anlass- oder beschaffungsbezogene Markterkundung notwendig werden. Besonders bei Dienstleistungen und Produkten die für den Auftraggeber speziell hergestellt werden müssen, ist es oft schwierig die Leistung adäquat zu beschreiben, den Projektumfang abzuschätzen oder geeignete Eignungs- und Zuschlagskriterien festzulegen. Hier kann eine beschaffungsbezogene Markterkundung im Vorfeld einer Vergabe richtig und sinnvoll sein.
Bei dieser Art der Markterkundung spricht der öffentliche Auftraggeber Unternehmen direkt an und bittet sie um Teilnahme. Die Informationen kann er anschließend in die Vergabeunterlagen einfließen lassen (z. B. in Form einer aussagekräftigen Leistungsbeschreibung). Dabei sind jedoch die Grenzen der Markterkundung zu beachten (nächster Abschnitt). Es ist insbesondere wichtig, die Teilnehmer darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine Vergabe handelt und aus der Markterkundung heraus kein Auftrag zu erwarten ist. Die Teilnahme ist zudem freiwillig. Das bedeutet auch, dass den Unternehmen keine Nachteile im eigentlichen Verfahren drohen, wenn sie nicht teilnehmen wollen.
Aus Bietersicht macht die Teilnahme dennoch Sinn, denn durch ihre Antworten beeinflussen sie die Ausschreibungskriterien der späteren Vergabe indirekt zu ihren Gunsten. Wenn beispielsweise alle Teilnehmer der Markterkundung eine spezielle Technik empfehlen, wird der Auftraggeber diese später wahrscheinlich ausschreiben. Somit können die Bieter auf eine für sie günstige und interessante Ausschreibung hoffen.
Der Gesetzgeber hat zur eigentlichen Markterkundung nur sehr wenige Vorgaben gemacht. Nach § 28 VgV und § 26 SektVO eigentlich sogar nur zwei. Einmal, dass öffentliche Auftraggeber überhaupt Markterkundungen durchführen dürfen und zum anderen, dass Vergabeverfahren nur zum Zwecke der Kosten- und Preisermittlung unzulässig sind. Auch bei unseren Nachbarn in Österreich findet man im § 24 BVergG 2018 zum Ablauf der eigentlichen Markterkundung ebenfalls keine konkreten Handlungsanweisungen. Hier heißt es sinngemäß zwar zusätzlich, dass man sich von Dritten beraten lassen darf und man die Erkenntnisse der Markterkundung nur für ein Vergabeverfahren nutzen darf, wenn der Wettbewerb dadurch nicht verzerrt wird und nicht gegen die Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoßen werden darf. Das sollte aber ohnehin selbstverständlich sein.
Konkrete Handlungsanweisungen zur Markterkundung durch den Gesetzgeber sucht man also vergeblich. Dennoch kann man insbesondere für die beschaffungsbezogene Markterkundung Grenzen ableiten, die sich u.a. aus den vergaberechtlichen Grundsätzen und den Regelungen für das eigentliche Vergabeverfahren ergeben. § 7 VgV besagt u.a., dass öffentliche Auftraggeber bei Vergabeverfahren dafür zu sorgen haben, dass Informationsvorsprünge von vorbefassten Unternehmen auszugleichen sind und im Worstcase vorbefasste Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen sind, wenn ein Ausgleich nicht möglich ist. Das heißt für uns in der Praxis im Umkehrschluss also, dass wir bei der Markterkundung (wo vorbefasste Unternehmen entstehen können) darauf achten müssen, dass nur absolut notwendige Informationen zu einer konkreten Vergabe herausgegeben werden dürfen, um den Informationsvorsprung so klein wie möglich zu halten und dafür zu sorgen, dass dieser später ausgeglichen werden kann.
Aufgrund des vergaberechtlichen Grundsatzes der Transparenz, sollte im Vergabeverfahren dargestellt werden, dass im Vorfeld eine beschaffungsbezogene Markterkundung durchgeführt wurde und auch welche Informationen die Teilnehmer erhalten haben. So kommt man nicht nur dem Transparenzgebot nach, sondern gleich auch noch den Informationsvorsprung aus, der durch die Markterkundung entstanden sein kann. Auch längere Fristen im Verfahren sind ein adäquates Mittel um einen eventuellen Zeitvorsprung die die Teilnehmer der Markterkundung erhalten haben auszugleichen.
Aus dem vergaberechtlichen Grundsatz des Wettbewerbes kann man ableiten, dass die Markterkundung mit mehreren Unternehmen zu erfolgen hat. Auch der gesunde Menschenverstand legt dies nahe, denn wie soll der Markt erkundet werden, wenn man die Markterkundung nur mit einem Unternehmen durchführen würde. Die Erkenntnisse aus der Markterkundung sollten in die Vergabeunterlagen einfließen, jedoch nicht veröffentlicht werden. Dies kann man zum einen aus dem Grundsatz des geheimen Wettbewerbes ableiten und zum anderen könnte es auch zivilrechtliche Probleme geben, wenn man versehentlich Geschäftsgeheimnisse veröffentlicht.
Man sieht also, obwohl der Gesetzgeber keine konkreten Handlungsanweisungen für die Markterkundung vorgegeben hat, gilt es insbesondere bei der beschaffungsbezogenen Markterkundung einiges zu beachten. Mit den vergaberechtlichen Grundsätzen und ein bisschen gesundem Menschenverstand ist die Markterkundung aber kein Hexenwerk und ein probates Mittel um Vergabeverfahren aller Art vorzubereiten und bei der Beschaffungsplanung up to date zu bleiben.
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