Das EU-Vergaberecht wird auf Grundlage von EU-Richtlinien vorgegeben und in den Mitgliedsstaaten per Gesetz in nationales Recht überführt. Es bietet eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Vergabeverordnungen, Verfahrensarten und besonderer Methoden und Instrumente. Hier erhalten Sie einen Überblick über die verschiedenen Regelungen des EU-Vergaberechts in Deutschland.
Öffentliche Auftraggeber in der Europäischen Union geben im Jahr hunderte Milliarden Euro an Steuergeldern aus und stellen dem Markt dadurch ein erhebliches Auftragsvolumen zur Verfügung. Deshalb wurde auf Grundlage des Government Procurement Agreement (GPA) das
EU-Vergaberecht ins Leben gerufen, welches durch EU-Richtlinien bestimmt wird. Danach sollen Bieter gleichbehandelnd und transparent Zugang zu öffentlichen Aufträgen erhalten.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union setzen diese EU-Richtlinien jeweils in nationaler Gesetzgebung um. In Deutschland wurde dazu ein 4. Teil im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgenommen. Genaue Verfahrensanweisungen wurden in daraus abgeleitete Verordnungen übernommen (VgV, VSVgV, SektVO, KonzVgV).
Oberschwellige Bauvergaben werden in Deutschland zusätzlich in den Vergabeordnungen VOB/A - EU bzw. VOB/A - VS beschrieben.
Öffentliche Auftraggeber sowie Sektorenauftraggeber müssen das EU-Vergaberecht anwenden, wenn der geschätzte Auftragswert den jeweiligen EU-Schwellenwert erreicht bzw. überschreitet und die Leistung dem EU-Vergaberecht unterliegt. U.a. Arbeitsverträge und das Anmieten von Immobilien müssen nicht ausgeschrieben werden, ebenso gibt es Ausnahmen bei der Beschaffung von Militärgütern.
Die EU-Schwellenwerte (netto) werden in jedem geraden Kalenderjahr angepasst und liegen seit dem 1. Januar 2022 bei:
Öffentliche Aufträge die dem EU-Vergaberecht unterliegen und deren Schätzkosten den jeweiligen Schwellenwert erreichen, werden durch eine EU-Bekanntmachung im Tenders Electronic Daily (TED) europaweit veröffentlicht. Dadurch ist für Unternehmen praktisch eine Art Mindestumsatzfilter eingebaut. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass Vergabeverfahren sehr formgebunden sind und man wegen einiger Formfehler von Vergaben ausgeschlossen werden muss. Oft ist es nicht möglich Unterlagen einfach nachzureichen oder zu korrigieren (wie im privatwirtschaftlichen Umfeld üblich).
Aber auch für öffentliche Auftraggeber selbst ist es eine große Herausforderung die Vielzahl an Regelungen rund um das EU-Vergaberecht richtig in der Praxis umzusetzen. Durch die, für öffentliche Aufträge relativ geringen Schwellenwerte, sehen sie sich zudem mit einer großen Anzahl an Vergabeverfahren konfrontiert. Außerdem steht die öffentliche Hand vermehrt im Fokus der Berichterstattung, sodass eine gewisse Angst vor Fehlern bei der Anwendung des EU-Vergaberechts besteht.
Vorgaben aus den Richtlinien zum EU-Vergaberecht werden in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in nationales Recht umgesetzt und anschließend durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in entsprechenden Vergabeverordnungen konkretisiert. Diese gelten oberhalb der jeweiligen EU-Schwellenwerte. Für Bauaufträge wird in Deutschland weiter auf die Vergabeordnung VOB/A verwiesen. Hier die einzelnen Regelungen für Sie im Überblick:
Die VgV ist eine Rechtsverordnung und gilt für Vergaben nach EU-Vergaberecht. Sie regelt die Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern. Wer öffentlicher Auftraggeber ist regelt § 99 GWB. Wer denkt es handelt sich dabei ausschließlich um Behörden liegt falsch. Beispielsweise schreiben auch die Inhouse-Gesellschaften des Bundes sowie Krankenkassen aus, aber auch die bekannte Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.
Die VSVgV ist eine Rechtsverordnung und gilt für Vergaben nach EU-Vergaberecht. Sie regelt die Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Die Voraussetzungen ob diese Verordnung anzuwenden ist, werden im § 104 GWB geregelt.
Neben einem höheren EU-Schwellenwert (im Vergleich zur VgV), bietet diese Verordnung sowohl Erleichterungen als auch Einschränkungen bei der Wahl der Verfahrensart. Außerdem kann der Zugang zu Informationen zu Beginn eines Vergabeverfahrens eingeschränkt werden.
Die SektVO ist eine Rechtsverordnung und gilt für Vergaben nach EU-Vergaberecht. Sie regelt die Beschaffung für Sektorenauftraggeber. Wer Sektorenauftraggeber ist regelt § 100 GWB. Im Grundsatz handelt es sich um Auftraggeber, die die Grundinfrastruktur zur Verfügung stellen.
Neben einem höheren EU-Schwellenwert (im Vergleich zur VgV), bietet diese Verordnung Erleichterungen bei der Wahl der Verfahrensart. Eine weitere Besonderheit ist, dass die SektVO für alle Arten von Leistungen gilt, also auch für Bauleistungen.
Die VOB/A-EU regelt die Vergabe von Bauleistungen ab dem EU-Schwellenwert. Bei der VOB handelt es sich um eine Vergabeordnung, die im Gegensatz zu einer Verordnung nicht aus sich heraus, sondern erst durch den Verweis in der VgV ihre Rechtskraft entwickelt.
Durch die üblicherweise höheren Auftragswerte im Baubereich, liegt der EU-Schwellenwert deutlich über dem Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen.
Die VOB/A-VS regelt die Vergabe von Bauleistungen im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Bei der VOB handelt es sich um eine Vergabeordnung, die im Gegensatz zu einer Verordnung nicht aus sich heraus, sondern erst durch den Verweis in der VSVgV ihre Rechtskraft entwickelt.
Der deutlich höhere EU-Schwellenwert für Bauleistungen gilt auch hier.
Die KonzVgV ist eine Rechtsverordnung und regelt die Vergabe von Konzessionen. Wer Konzessionsgeber ist regelt § 101 GWB.
Die VergStatVO ist eine Verordnung und regelt die Datenübermittlung für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Die einzelnen Verfahrensarten im EU-Vergaberecht werden in den oben genannten Vergabeverordnungen und Vergabeordnungen beschrieben. Diese sind quasi die Gebrauchsanleitungen für die Durchführung von EU-Verfahren nach dem EU-Vergaberecht. Je nach geltender Verordnung und Einzelfall können aber nur bestimmte von Ihnen genutzt werden. Einige sind weit verbreitet, andere führen eher ein Schattendasein und werden kaum genutzt. Wann Sie welche Verfahrensart anwenden dürfen und wie diese entsprechend anzuwenden sind, erfahren Sie hier.
Beim offenen Verfahren werden sämtliche Unterlagen allen Bietern zur Verfügung gestellt. Eine gesonderte Eignung ist im Vorfeld nicht erforderlich. Jeder Bieter kann sich bei dieser Verfahrensart an der Ausschreibung beteiligen. Mehr zum offenen Verfahren.
Beim nicht offenen Verfahren dürfen nur geeignete Bieter ein Angebot einreichen. Dazu wird eine Eignungsprüfung im Vorfeld durchgeführt. Interessierte Bieter müssen einen Teilnahmewettbewerb erfolgreich absolvieren. Mehr zum nicht offenen Verfahren.
Bei nicht erschöpfend beschreibbaren Leistungen sollten Auftraggeber Verfahren mit Verhandlungsoptionen nutzen. Die Anwendung des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb unterliegt je nach Vergabeverordnung bestimmten Bedingungen. Mehr zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb.
Das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb schränkt den Wettbewerb sehr stark ein bzw. schließt ihn aus. Deshalb unterliegt die Anwendung strengen Bedingungen. Dem Auftraggeber ist es auch gestattet zu verhandeln. Mehr zum Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb.
Der wettbewerbliche Dialog kommt bei komplexen Vergaben zum Einsatz. Der Auftraggeber gibt nur das Ziel für die Lösung vor, welche bestehende Lösung die Beste ist, wird jedoch zusammen mit den geeigneten Bietern erarbeitet. Die sogenannte Dialogphase bietet dem Auftraggeber deutlich mehr Handlungsspielraum als die Verhandlungsphase im Verhandlungsverfahren. Mehr zum wettbewerblichen Dialog.
Die Innovationspartnerschaft soll dem Auftraggeber ermöglichen eine langfriste Partnerschaft für die Entwicklung und den Erwerb neuer Liefer- und Dienstleistungen einzugehen. Sie kommt zum Einsatz, wenn der Auftraggeber eine Lösung sucht, diese aber auf dem Markt nicht existiert. Die Lösung wird erst für den Auftraggeber entwickelt. Dieses Verfahren ist daher hoch komplex.
Mehr zur Innovationspartnerschaft.
Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden unter § 120 sogenannte besondere Methoden und Instrumente in Vergabeverfahren beschrieben. Unter § 103 Abs. 5 GWB wird zudem die Rahmenvereinbarung aufgeführt. Sie ist zwar keine besondere Methode bzw. Instrument im Sinne des § 120 GWB, aber durch ihre Eigenart in gewisser Weise doch dieser Gruppe zuzuordnen.
Sowohl bei den besonderen Methoden und Instrumenten in Vergabeverfahren sowie bei der Rahmenvereinbarung handelt es sich nicht um eigenständige Verfahrensarten im EU-Vergaberecht. Vielmehr darf der öffentliche Auftraggeber diese Instrumente in den Vergabeverfahren anwenden um seine Beschaffung zu optimieren.
Das dynamische Beschaffungssystem (DBS) bietet enormes administratives Einsparpotential bei der Beschaffung marktüblicher Leistungen. Das DBS steht über seine gesamte Laufzeit allen interessierten Bietern zur Verfügung und sorgt durch diesen offenen Charakter für maximalen Wettbewerb. Mehr zum dynamischen Beschaffungssystem.
Bieter bekommen die Möglichkeit im Rahmen einer elektronischen Auktion ihre Angebotspreise bzw. einzelne Preispositionen entsprechend nach unten zu korrigieren.
Interessanterweise ist dieses Methode mit einem offenen sowie einem nicht offenen Verfahren kombinierbar. So sind Preisanpassungen trotz Verhandlungsverbot möglich.
Rahmenvereinbarungen nach § 103 Abs. 5 GWB können mit einem oder mehreren Unternehmen geschlossen werden. Dabei wird die Leistung in der Regel in mehreren Einzelabrufen bestellt. So können Leistungen bedarfsgerecht beschafft werden.
Mehr zur Rahmenvereinbarung.
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