Rahmenvereinbarung

Die Rahmenvereinbarung

Die Rahmenvereinbarung gehört nicht zu den besonderen Methoden und Instrumenten in Vergabeverfahren nach § 120 GWB, sondern wird im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unter § 103 Abs. 5 GWB aufgeführt. Die Zuordnung zu dieser Gruppe ist dennoch passend, denn wie die besonderen Methoden und Instrumente nach § 120 GWB, ist die Rahmenvereinbarung kein eigenständiges Vergabeverfahren, sondern ein Hilfsmittel zur Optimierung der öffentlichen Beschaffung.

Die Rahmenvereinbarung ist eine Art der Vertragsgestaltung, daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von Rahmenverträgen. Im Gegensatz zu Einzelaufträgen, können in der Rahmenvereinbarung je nach Gestaltung konkrete Liefer- oder Dienstleistungen zu vorher festgelegten Bedingungen bzw. Rahmenbedingungen bedarfsgerecht abgerufen werden. Dadurch können öffentliche Aufträge (zeitlich befristet) ohne erneute Vergabeverfahren vergeben werden. Diese Art der Vertragsgestaltung wird auch in der Privatwirtschaft häufig genutzt, bei öffentlichen Aufträgen gelten aber besondere vergaberechtliche Bedingungen für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen.

Auftragswertschätzung bei Rahmenvereinbarungen

Um eine korrekte Auftragswertschätzung bei Rahmenvereinbarungen im Oberschwellenbereich vornehmen zu können, muss man sich zuerst über mögliche Laufzeiten im Klaren sein und damit über den zeitlichen Umfang einer Rahmenvereinbarung. Je nach geltender Vergabeverordnung bzw. Ordnung sind unterschiedliche Laufzeiten denkbar.
  • 4 Jahre nach VgV (für Liefer- und Dienstleistungen)
  • 4 Jahre nach VOB/A - EU (für zivile Bauleistungen)
  • 7 Jahre nach VSVgV (für Liefer- und Dienstleistungen im Bereich der Verteidigung und Sicherheit)
  • 7 Jahre nach VOB/A - VS (für Bauleistungen im Bereich der Verteidigung und Sicherheit)
  • 8 Jahre nach SektVO (für Sektorenauftraggeber)
In begründeten Einzelfällen sind auch längere Laufzeiten zulässig (z. B. bei hohen Investitionen, die sich erst nach einer gewissen Laufzeit amortisieren). Selbstverständlich dürfen auch kürzere Laufzeiten für eine Rahmenvereinbarung festgelegt werden. Angenommen der Auftraggeber weiß, dass eine Leistung nur übergangsweise benötigt wird oder wenn möglichst viel Wettbewerb geschaffen werden soll und die Rahmenvereinbarungen deshalb beispielsweise jährlich ausgeschrieben wird. In der Praxis ist dieses Vorgehen allerdings unüblich, da EU-weite Ausschreibungen mit viel Aufwand verbunden sind.

Neben der Laufzeit müssen auch alle Optionen berücksichtigt werden. In einer Rahmenvereinbarung können sowohl Mindestmengen als auch Mindestvertragslaufzeiten vereinbart werden. Um den Rahmenvertrag für den Auftraggeber möglichst flexibel zu gestalten bietet es sich an, die Mindestmengen mit Optionen zu flankieren, die nur nach Bedarf abgerufen werden müssen. Auch die Verlängerung der Vertragslaufzeit (innerhalb der maximal zulässigen Gesamtlaufzeit) kann eine Option sein.

Für die Auftragswertschätzung einer Rahmenvereinbarung ist jeweils von der maximalen Ausprägung des zu schließenden Vertrages auszugehen, also von der maximalen Laufzeit und unter Einbeziehung aller Optionen. Eine Rahmenvereinbarung entbindet den Auftraggeber zudem auch nicht von der Pflicht Lose nach § 97 Abs. 4 GWB zu bilden.
Info
Praxistipp zur Auftragswertschätzung von Rahmenvereinbarungen
  • Das Auftragsvolumen muss so genau wie möglich geschätzt werden, allerdings kann sich das tatsächliche Volumen über die Laufzeit der Rahmenvereinbarung verändern, da niemand ganz genau die Bedarfe der nächsten 4 Jahre oder länger vorhersehen kann. Um eine missbräuchliche Nutzung zu verhindern, hat das EuGH jedoch die Flexibilität von Rahmenvereinbarungen mit seinem Urteil vom 19.12.2018 eingeschränkt. Vergabestellen sollten deshalb eine Obergrenze festlegen und in der Bekanntmachung angeben. Ist diese erreicht, ist die Rahmenvereinbarung ausgeschöpft und muss neu ausgeschrieben werden.

Varianten der Rahmenvereinbarung

Die Rahmenvereinbarung ist keine eigene Vergabeart, sie kann jedoch mit jeder oberschwelligen Vergabeart kombiniert bzw. ausgeschrieben werden. Der Abschluss von Rahmenvereinbarungen ist mit einem oder mehreren Unternehmen zulässig. Dies kann der Auftraggeber frei wählen. Die Art der Rahmenvereinbarung sollte jedoch zur ausgeschriebenen Bau-, Liefer- oder Dienstleistung passen, denn sie kann anschließend nicht mehr geändert werden. Bereits mit Veröffentlichung der Bekanntmachung im TED muss sich der Auftraggeber entscheiden welche Varianten er nutzen möchte.

Es ist ebenfalls möglich, dass eine Rahmenvereinbarung auch von mehreren Auftraggebern abgeschlossen wird, was selbstverständlich im Vorfeld bekanntgemacht werden muss. Es sind also grundsätzlich vier Konstellationen der vertragsschließenden Parteien möglich:
  • ein Aufraggeber - ein Unternehmen
  • ein Auftraggeber - mehrere Unternehmen
  • mehrere Auftraggeber - ein Unternehmen
  • mehrere Auftraggeber - mehrere Unternehmen
Zudem kann auch der Umfang der Rahmenvereinbarung variieren. Die Rahmenvereinbarung kann so gestaltet werden, dass bereits sämtliche Bedingungen fest vereinbart werden. In den Einzelabrufen sind in einem solchen Fall dann nur noch entsprechende Mengen anzugeben. Vereinzelt wird nur bei dieser Art der Rahmenvereinbarung auch von einem Rahmenvertrag gesprochen.

Die Rahmenvereinbarung kann aber auch so gestaltet werden, dass wirklich nur ein grober Rahmen gegeben wird und die konkreten Bedingungen wie beispielsweise der genaue Tagespreis (z. B. für Diesel) Teil eines sogenannten Miniwettbewerbes wird. Dies macht natürlich nur bei einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen Sinn.

Vertragsschluss mit einem Unternehmen

Die einfachste Variante ist die Rahmenvereinbarung mit nur einem Unternehmen je Los. Das wirtschaftlichste Angebot bekommt den Zuschlag und sämtliche Abrufe werden bei einem Unternehmen getätigt, ganz nach dem Motto "the winner takes it all". Der Wettbewerb ist für die Dauer der Rahmenvereinbarung ausgeschlossen. Diese Variante ist für den Auftraggeber in der Vertragsphase sehr aufwandsarm. Nachdem die Ausschreibung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, kann er quasi wie ein privates Unternehmen ohne weiteren Wettbewerb ganz nach Bedarf bestellen. Dies reduziert die Beschaffungszeit und den Beschaffungsaufwand und damit die Kosten der Beschaffung.
Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen
Allerdings kann diese Art der Rahmenvereinbarung gleichzeitig ein Nachteil sein, denn der fehlende Wettbewerb bedeutet unter Umständen, dass sich innerhalb der Vertragslaufzeit das Marktumfeld ändert und der Auftraggeber nicht mehr zu marktüblichen Bedingungen kauft.

Der Auftraggeber darf für dieselbe Leistung aber keine weitere Rahmenvereinbarung ausschreiben, da dies eine Doppelvergabe wäre. Er muss für die Dauer der Rahmenvereinbarung mit ihr leben. Allerdings ist er nicht verpflichtet, die Einzelleistungen aus dem Rahmenvertrag auch abzurufen (jedoch die Mindestmengen). Er könnte die Leistung deshalb einem gesonderten Vergabeverfahren zuführen und neu ausschreiben. Allerdings ist dies mit viel Aufwand verbunden und der eigentliche Sinn der Rahmenvereinbarung würde dadurch obsolet (eventuell bei parallelen Großprojekten sinnvoll).
Info
Praxistipps zur Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen
  • Unterliegt die Leistung keinen großen Marktschwankungen ist die Rahmenvereinbarung mit nur einem Unternehmen die aufwandsärmste Variante der Beschaffung und damit die perfekte Wahl für eine effiziente Beschaffung gerade im öffentlichen Bereich.
  • Unterliegt die Leistung jedoch starken Schwankungen am Markt, sollte der Auftraggeber Alternativen wie eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen oder eventuell auch ein Dynamisches Beschaffungssystem bewerten. Das Dynamische Beschaffungssystem bringt höchst mögliche Flexibilität, hat allerdings besondere Anforderungen an die Marktüblichkeit. Außerdem wird es nach den Regeln des Nicht offenen Verfahrens durchgeführt und ist beispielsweise nicht mit einem Verhandlungsverfahren kombinierbar.

Vertragsschluss mit mehreren Unternehmen

Deutlich komplexer wird die Rahmenvereinbarung wenn sie mit mehreren Unternehmen je Los geschlossen wird. In dem Fall bekommt nicht nur das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag, sondern alle Bieter, die unter den vorher definierten Bedingungen ein wirtschaftliches Angebot abgegeben haben. Die Anzahl sollte in der Auftragsbekanntmachung mit entsprechenden Auswahlkriterien begrenzt werden (z. B. die fünf besten Angebote erhalten den Zuschlag), ebenso muss definiert werden unter welchen Bedingungen die Abrufe erfolgen werden.

Für die Art der Abrufe gibt es verschiedenste Optionen (die Beispiele sind nicht abschließend). Es dürfen innerhalb der Rahmenvereinbarung beispielsweise sogenannte Miniwettbewerbe durchgeführt werden. Diese Variante ist gerade bei schwankenden Preisen sehr sinnvoll.
Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen
Bei einem Diesel-Rahmenvertrag für die Betankung von Bussen könnte man beispielsweise bei Bedarf einen Miniwettbewerb mit dem Zuschlagskriterium "Preis" durchführen. Den Abruf würde das Unternehmen bekommen, welches den günstigsten Tagespreis anbietet, alle weiteren Anlieferbedingungen wären bereits in der Rahmenvereinbarung definiert.

Wenn der Auftraggeber nur an einer hohen Versorgungssicherheit interessiert ist, aber keine Miniwettbewerbe durchführen möchte, kann er die Abrufe auch nach der Rangfolge der ursprünglichen Angebote platzieren. Ist das erstplatzierte Unternehmen nicht in der Lage den Abruf zu bedienen, wird der Zweitplatzierte angefragt und so weiter. Dieses System ist auch als Kaskadenprinzip bekannt.
Info
Praxistipps zur Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen
  • Die Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen kann sehr komplex sein. Wichtig ist daher eine intensive und gute Vorbereitung der Vergabe. Auch Bieter sind an einer reibungslosen Vertragslaufzeit interessiert. Nehmen Sie deshalb Bieterfragen ernst. Eventuell fällt den Bietern etwas auf, was Sie vielleicht übersehen haben.
  • Bedenken Sie alle möglichen Abrufbedingungen. Ist die Rahmenvereinbarung erst einmal bezuschlagt, können Sie diese nicht mehr ändern. Auch ist es Auftraggebern untersagt die Leistung erneut als Rahmenvereinbarung auszuschreiben. Sie müssen also für die Dauer der Vertragslaufzeit mit ihr leben.
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